Summer School 2021
Translation & Multilingualism
Die Summer School Literaturübersetzen 2021 wurde unter dem Motto „Translation and Multilingualism“ erfolgreich als Onlineveranstaltung durchgeführt. Zahlreiche Studierende des Masterstudiengangs Literaturübersetzen, Wissenschaftler:innen, Berufsübersetzer:innen und andere Interessierte konnten sich so unabhängig von ihrem Wohnort virtuell über die Bedeutung von Mehrsprachigkeit im Übersetzungskontext austauschen.
Im Anschluss an die Eröffnung durch Prof. Dr. Birgit Neumann, Leiterin des Masterstudiengangs Literaturübersetzen, hielt Dr. Tamar Steinitz (Goldsmith College, University of London) die Keynote Lecture „Shelters, Walls and Bridges: Translation and Bilingualism in Israel/Palestine“. Im Zentrum des Vortrags standen Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft und die Rolle von Translation in Israel und Palästina. Anhand der Werke Anton Shammas’ und Almog Behars wurde die soziopolitische Tragweite, die dem Übersetzen mehrsprachiger Literatur aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen Hebräisch und Arabisch innewohnt, anschaulich erläutert.
Den zweiten Tag der Summer School läutete Prof. Dr. Efrat Gal-Ed mit einem Übersetzungsworkshop zu jiddischer Lyrik ein. Die Gedichte von Itzik Manger dienten als Beispiel, die Vielschichtigkeit des Jiddischen und die Schwierigkeit des Übersetzens einer solchen Komponentensprache, also einer aus transkulturellen Prozessen entstandenen Sprache, zu diskutieren. Neben lexikalischen Besonderheiten des Jiddischen, das Einflüsse des Slawischen, Mittelhochdeutschen, Hebräischen, Aramäischen und Ia’as aufweist, beschäftigten sich die Teilnehmenden mit den Herausforderungen, die das Übersetzen von Mangers hybriden Texten voller intertextueller und kultureller Referenzen bereithält.
Um übersetzerische Herausforderungen ging es auch in der sich anschließenden Podiumsdiskussion, die in Kooperation mit dem Centre for Translation Studies stattfand. Prof. Dr. Birgit Neumann, Prof. Dr. Efrat Gal-Ed, Prof. Dr. Volker Dörr sowie die Berufsübersetzer:innen Beate Thill, Christian Hansen und Jutta Himmelreich tauschten sich über das Thema Vielsprachigkeit und dessen Relation zum Übersetzen aus. Sie erörterten unter anderem, ob Fremdheit in Übersetzungen kenntlich gemacht werden sollte. So lautete eine der Fragestellungen etwa, ob die Spuren anderer Sprachen sichtbar sein, oder vielmehr das Fremde durch das Eigene ersetzt werden sollte. Während hier durchaus unterschiedliche Auffassungen zum Ausdruck kamen, war man sich über einen Punkt einig: Bei der Ethik, Ästhetik sowie Politik von Sprache und Übersetzen handelt es sich um hochaktuelle Fragen mit großem Diskussionspotential, die den grundlegenden Umgang mit Differenz betreffen.
Am Nachmittag fanden zwei weitere Workshops zur Übersetzungspraxis unter Leitung von Berufsübersetzer:innen statt. Christian Hansen befasste sich in seinem spannenden Workshop einerseits mit der Sichtbarkeit von und in Übersetzungen, andererseits mit der Herausforderung, Vielstimmigkeit aus dem Spanischen ins Deutsche zu übertragen. Im Zuge dessen bot er die Gelegenheit, zu beobachten, wie Figuren durch die Modulation der Stimmen zum Leben erweckt und vorstellbar gemacht werden. Dies wurde in erster Linie anhand von Auszügen aus Roberto Bolaños Novelle „Patria“ erfahrbar. Beate Thill hingegen widmete sich im Anschluss in ihrem Französisch-Workshop der Übersetzung Kreolischer Märchen und diskutierte mit den Teilnehmenden übersetzerische Perspektiven auf diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch.
In Zusammenarbeit mit ihrer Teilnahme am Projekt "Blick in die Zukunft - Gegen das Vergessen" war die ugandische Autorin Jennifer Nansubuga Makumbi am Samstagabend virtuell im Heine Haus Düsseldorf zu Gast und berichtete über ihre literarische Arbeit, die wesentlich vom sprachlichen Spannungsfeld zwischen Englisch, Luganda und weiteren lokalen Sprachvarietäten Ugandas geprägt ist. Dr. Eva Ulrike Pirker führte durch den Abend, an dem auch die beiden Übersetzerinnen und Studentinnen Madeleine Rösler und Janna Krampe zu Gast waren, die Einblicke in ihre Arbeit an Makumbis Texten gaben. Rudolf Müller, Leiter der Literaturhandlung im Heine Haus, trug Ausschnitte aus ihren Übersetzungen vor. Die Lesung wurde im Livestream auf YouTube übertragen.
Zum Abschluss der Summer School hielt Jutta Himmelreich einen Workshop zur Übersetzung mehrsprachiger Literatur aus dem Englischen, in dem Problemstellungen in mehrsprachigen afrikanischen Romanen erläutert und kollektiv Lösungsansätze erarbeitet wurden. Nach einer regen Diskussion über die Definition von Mehrsprachigkeit ging es unter anderem um die Frage, wie grammatikalische oder orthographische Fehler als Stilmittel in die Zielsprache übertragen werden können, um sozio-kulturelle Kontexte und damit die Bereicherung von Mehrsprachigkeit in der Literatur aufrechtzuerhalten.
Wie bereits in den Jahren zuvor bot die Summer School Literaturübersetzen eine gelungene Mischung aus Theorie und Übersetzungspraxis. Das Online-Format tat der Beteiligung keinen Abbruch, sondern brachte in besonderem Maße Menschen aus der ganzen Welt zusammen und ermöglichte den Austausch über das gemeinsame Interesse am Übersetzen.